Digital first: Warum die Bankfiliale für immer mehr Kunden weg kann

Die Bankfiliale nutzn viele bestenfalls noch für den Gang zum Geldautomaten. (Foto: Andrzej Rostek/ Shutterstock).
Überhaupt sind immer mehr Verbraucher:innen bereit, auf digitale Lösungen zu setzen, sei es bei der Nutzung der Banking-App oder bei Video-Beratung statt Bürotermin. Das sind die Ergebnisse einer Befragung von 1.003 Personen ab 16 Jahren in Deutschland im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.
Der digitale Zugang zum Konto ist für die meisten inzwischen selbstverständlicher als der Weg zur Filiale – was natürlich auch bedeutet, dass diese seltener und nur noch für bestimmte Fälle angesteuert wird. Gleichzeitig geht das Filialsterben weiter und die Gesamtzahl der Zweigstellen von Kreditinstituten sank alleine im Jahr 2023 um 4,6 Prozent – das ist ein Rückgang um 945 Filialen – auf nunmehr 19.501 Zweigstellen.
Filialnetz kaum noch gefragt – oder nur im Ausnahmefall
Immerhin 44 Prozent der Befragten gaben an, überhaupt keine Filialen mehr zu nutzen, wobei aber auch 41 Prozent die Filiale sporadisch besuchen. Lediglich 14 Prozent setzen überwiegend oder ausschließlich auf den Besuch vor Ort, um ihre Bankgeschäfte zu erledigen. Interessanterweise fordern die Kund:innen daher eher, dass Banken bei den digitalen Services nachbessern: Im Durchschnitt erhalten die Banken für ihr Digitalangebot nur die Note „befriedigend“ (3,1).
Insgesamt würde der Hälfte der Deutschen (50 Prozent) nach eigenen Angaben ohne Bankfilialen nichts fehlen. Unter den 16- bis 29-Jährigen sind es sogar 60 Prozent, was das Wachstum bei Digitalbanken und Direktbanken erklärt. Immerhin mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Jüngeren kann sich vorstellen, ein Girokonto bei einem Digitalunternehmen, wie Apple, Google oder Amazon, zu haben – altersübergreifend sind das noch immerhin 44 Prozent. Bei einem Tech-Startup oder Fintech würden 47 Prozent der Jüngeren ein Girokonto eröffnen, unter allen Befragten 38 Prozent.
Die digitalen Angebote spielen bei der Entscheidung für eine Bank schon heute eine größere Rolle als das Filialnetz oder die persönliche Beratung, und dieser Trend wird sich voraussichtlich weiter fortsetzen. Für 78 Prozent der Deutschen hat eine benutzerfreundliche Banking-App bei der Auswahl ihrer Bank eine hohe Priorität. In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen sind es sogar 85 Prozent. Aber auch bei den über 65-Jährigen ist die App für eine deutliche Mehrheit von 63 Prozent relevant. Die Mehrheit der Online-Banking-Nutzer legt Wert auf eine breite Angebotspalette (73 Prozent) und ein breites Spektrum an Mobile-Payment-Anwendungen (62 Prozent).
Akzeptanz für Einsatz von KI-Beratung im Finanzbereich nimmt zu
Doch es gibt auch andere Kriterien, nach denen die Bank ausgewählt wird – und diese sind komplett vom Alter abgekoppelt: 96 Prozent achten auf die Bankgebühren, fast genauso viele auf die Höhe der Einlagensicherung – und immerhin 87 Prozent der potentiellen Kund:innen wollen möglichst viele, kostenlos nutzbare Geldautomaten und / oder, einen gebührenfreien Zugang zu Bargeld im Ausland.
Statt dessen werden KI-Anwendungen und Algorithmen in Zukunft eine zunehmende Rolle spielen. Hier nimmt das Vertrauen der Kund:innen weiter zu. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) der Deutschen wäre bereit, eine KI zu nutzen, die ihnen die Finanzplanung abnimmt und etwa Spartipps auf Basis des eigenen Ausgabeverhaltens gibt. Und fast jede:r Dritte (30 Prozent) glaubt, dass die KI passendere Empfehlungen zu Finanzprodukten geben kann als ein Mensch (2024: 26 Prozent).
Banken und Sparkassen dürften diese Zahlen mit viel Interesse verfolgen, da sie so effizienter und kostengünstiger die Privatkund:innen beraten können, etwa mit Hilfe von Robo-Advisor-Tools. Zudem wird der zunehmende Fachkräftemangel hier zum weiteren Treiber in Richtung personalisierte Digitalangebote. Dass die Kreditwirtschaft ihre internen Prozesse mit mehr Automatisierung und Dunkelverarbeitung optimiert, ist dagegen nichts Neues.
Vielfach digital ist auch der Brokerage-Bereich aufgestellt. Immerhin 39 Prozent der Verbraucher:innen nutzen digitales Banking für Investitionen, etwa in ETFs oder Aktien. Auf Online-Broker verlassen sich inzwischen 12 Prozent bei der Online-Geldanlage, unter den 30- bis 49-Jährigen ist es sogar rund jede und jeder Fünfte (21 Prozent). Zwei Drittel der Kund:innen nutzen nach eigenen Angaben Online-Broker aufgrund Zinsen, die sie auf nicht-investiertes Guthaben erhalten, während für 63 Prozent die hohe Benutzerfreundlichkeit den Ausschlag gegeben hat.
Gamification-Ansatz bei Geldanlage nicht nur positiv
Bemerkenswert ist neben der hohen Affinität zu Online-Brokern und den Empfehlungen dazu aus dem Bekanntenkreis, dass viele Verbraucher:innen überhaupt erst aufgrund von Apps und digitalen Lösungen einen Weg zu Finanzinvestitionen finden. Immerhin ein Drittel (33 Prozent) derjenigen, die online Geld über ihre Bank oder einen Broker investieren, gibt an, ohne diese Online-Angebote keine Investitionen tätigen zu würden. Fast jede:r Zweite (49 Prozent) hat sich durch einschlägige Online-Angebote allgemein mehr mit dem Thema Finanzen beschäftigt. Für die Altersvorsorge halten 63 Prozent halten die Online-Geldanlageangebote für eine gute Alternative zur klassischen Altersvorsorge – schlechte Zeiten für Herrn Kaiser und seine menschlichen Kolleg:innen bei Banken und Versicherungen.
Einen weiteren Trend, den die Bitkom-Studie aufzeigt, hatten wir in der Vergangenheit bereits kritisiert – zumindest in dieser Ausprägung: Geldanlage hat für viele inzwischen einen Unterhaltungswert, ist ein regelrechtes Spiel geworden. Diese Gamification-Ansätze empfinden fast sechs von zehn Anwender:innen. Zugleich räumen 49 Prozent ein, dass sie durch Online-Investments höhere Risiken eingehen. Ein zweischneidiges Schwert also – denn einerseits ist das Interesse an Sparen und Altersvorsorge vor allem bei jüngeren Zielgruppen gut, andererseits sollten die Risiken im Blick behalten werden. „Das darf nicht dazu führen, dass sich gerade risikofreudige junge Menschen mit ein paar spontanen Klicks finanziell ruinieren“, erklärt etwa auch Bitkom- Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Umso wichtiger sei es daher, mehr Finanzwissen etwa im Rahmen des Schulunterrichts zu vermitteln.